Ortelius‘ Karte von 1572 mit dem „Oceanus Hyperboreus“ im äußersten Nordwesten
Berlin - Irgendwo in der Dunkelheit des Nordens, zwischen anderen Ländern und Völkern, lag Hyperborea - unsichtbar, das zweite Vaterland. Jeder hat dorthin gestrebt, nicht nur Polarreisende und Forscher, sondern auch ganze Nationen. Wo alle Möglichkeiten erschöpft sind, kehren wir zum Ursprung zurück, zum Beginn. Daher könnte den Pol zu erreichen oder Hyperborea zu finden - das Land jenseits des Nordwindes - gleichbedeutend damit werden, die verlorene Bedeutung des Lebens zu entdecken. Vielleicht haben wir letztlich bereits seinen heiligen Boden betreten, ohne es zu wissen. Eine Insel, verloren in der Ödnis des Nordmeeres, könnte die Spitze des mythischen Berges Meru gewesen sein. Grabstätten wie jene, welche im fernen Lappland, auf der Halbinsel Kola, gesehen wurden - Steingräberfelder, mit Hirschhörnern obenauf - welche ein Wegweiser der Erinnerung an sie waren. Nun, wie auch immer, haben die Menschen den Norden geschlagen verlassen, mit kranken Augen und zerschlagenen Körpern, den Landkindern zur Freude.
Hier, in der Wildnis des Nordens, war es das größte Glück, Menschen zu treffen. Es gab keine Franzosen mehr, die Deutschen oder die Russen - es gibt nur Menschen, die der Gefahr begegnen, dem Abenteuer und die willens sind, einander zu helfen. Es gab ihnen Wert und bestimmte ihren Platz. Eitelkeit war ihnen unbekannt. Der Mangel erniedrigte niemanden. Die eisige Ödnis des Nordens war der Ort ihrer Schönheit.
Alle von ihnen, bis zum letzten Mann, waren sich dessen bewußt, daß sie sich nicht für Handelsrouten in Gefahr begaben, oder für wissenschaftliche Forschungen, deren Ergebnisse, auf Kosten des Lebens, durch alle Widrigkeiten getragen werden. Eine der seltsamsten Geschichten der Menschen ist jene, welche von den Taten und Leiden der Polarreisenden, der Eroberer der Pole, handelt. Sie wurden nicht durch Gier oder Habsucht getrieben. Hier, im Polarkreis, lebten und starben Menschen nur für den Ruhm.
In diesem Kreis war der Pol das Zentrum, ein unsichtbares Ziel, zu welchem Menschen gingen, auch, ohne nach dem Preis zu fragen. Der Pol schien ihnen mit unsichtbarem Licht, ähnlich jenem, welches sich zur Polardämmerung verbreitet. Die Strenge des arktischen Kreise litt an nichts Vagem, Partiellem oder Schwachem. Als sie den Fuß wieder dort hinein setzten, wurde allen von ihnen auf eine unerklärliche Weise bewußt, daß jener ferne Punkt jenseits des Horizontes ihr unsichtbares Ziel war. Denn sie alle kamen aus dem Norden bekehrt zurück - nicht anders, aber gefestigt in dem, was sie taten. Der Norden band sie alle mit unsichtbaren Fäden - Individuen, Nationen und Kontinente.
Menschen, durch die ganze Geschichte hinweg, sind von Norden nach Süden gezogen, nach warmen Regionen und Wassern. Diese Bewegung schafft die Geschichte der Zivilisationen, Nationen und Rassen, Kriege der Menschen des Nordens mit den Menschen des Südens. Doch, alles erobernd, was zu erobern war, konnten sie in dem warmen Klima nicht überleben. Der Pfad der Geschichte ist der Pfad der Degeneration - schneller oder langsamer, doch gleich unvermeidbar. Und sie alle verschwanden schnell, verendend, sich auflösend in einer wilden See.
Polarreisende und -forscher sind Erscheinungen unserer Zeit. Sie tauchen nur auf, nachdem sie, durch Überseereisen und Eroberungen, alle Punkte unseres Planeten erreicht haben. Nicht nur die Gipfel, sondern auch die Täler gewonnen. Es gab nichts auf der Erde, was es wert wäre, besessen zu werden. Die Richtung ist nicht länger der Süden, sondern der Norden.
Jene sind die Hyperboreer unserer Zeit, welche die Wärme ihrer Häuser und die scheinbare Sicherheit ihrer Heimatländer verlassen, um erneut den Beginn der Zeiten anzusteuern.
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